Fernwärme wird zu kostspielig

Goddelaus Baugebiet „Am Hohen Weg“ war einst Fernwärme-Pionier / Doch im dritten Teil wird alles anders

RIEDSTADT . Das Baugebiet „Am hohen Weg“ im Südosten Goddelaus war seit 2002 ein Pionier bei der Nutzung von Fernwärme, die im Heizkraftwerk der Vitos-Kliniken in Philippshospital erzeugt wird. Fernwärme spielt eine wichtige Rolle in der kommunalen Wärmeplanung, die Kommunen wie Riedstadt bis Ende Juni 2028 vorlegen müssen. Zudem soll die in der Sondermüllverbrennung der HIM in Biebesheim anfallende Wärme künftig bei der Vitos Südhessen und damit auch für das Wohngebiet genutzt werden.

Vor diesem Hintergrund überrascht die Ankündigung, dass es für den geplanten, 4,5 Hektar umfassenden dritten und letzten Bauabschnitt „Am hohen Weg“ keinen durchgehenden Anschluss an das Fernwärmenetz mehr geben soll. Daher soll der Geltungsbereich der entsprechenden Satzung zur Nutzung von Fern-/Nahwärme von 2001 auf den ersten und zweiten Bauabschnitt beschränkt werden. In diesen beiden Gebieten gibt es weiterhin einen Benutzungszwang für Fernwärme.

Wie Bürgermeister Marcus Kretschmann (CDU) erläuterte, wäre der Anschluss des gesamten dritten Bauabschnitts an Fernwärme mit hohen Investitionskosten verbunden. Da diese auf alle umgelegt würden, würde dies „zu sehr hoher Preissteigerung führen“. In der Begründung des Antrags wird zudem angeführt, dass der Anschluss an Fernwärme wegen der geplanten kleinteiligen Bebauung mit Einfamilienhäusern und Doppelhaushälften auch keine klimarelevanten Vorteile mehr biete. Wärmepumpen und Fotovoltaikanlagen mit Stromspeichern seien mittlerweile preisgünstig und konkurrenzfähig zur Nahwärme.

Kompromiss-Lösungen sollen möglich sein

Als Kompromiss sei geplant, dass Grundstücke in Nachbarschaft der bestehenden Fernwärmeleitungen angeschlossen werden können, darunter die an der Philippsanlage, erläuterte der Bürgermeister. Die Baugenossenschaft Ried wolle beispielsweise für ihr Mehrfamilienhaus mit 51 Wohnungen „Am Tannenberg“ Nahwärme nutzen. Der vierstöckige U-förmige Bau mit einem begrünten Innenhof soll einmal 3700 Quadratmeter Wohnfläche bieten. 45 der 51 Wohnungen sollen sozial gefördert werden. Dahinter liegende Grundstücke könnten nicht angebunden werden, sagte Kretschmann. Außerdem könnten Häuser der BG Ried in Teilen der Moselstraße an die Fernwärmeleitung zur Martin-Niemöller-Schule angeschlossen werden.

Dazu hatten die Stadtverordneten einige Fragen. Denn in der Vergangenheit gab es von Hauseigentümern aus den bisherigen Bauabschnitten auch Kritik am Benutzungszwang der Fernwärme. Ausnahmen davon sind nur für Passivhäuser vorgesehen. Mit einem Haus unterhalb dieses Standards war es nicht möglich, sich von der Fernwärme anzukoppeln.

Die Freien Wähler (FW) hatten dazu einen Antrag eingereicht, mit dem EU-Richtlinien zum Kündigungsrecht bei Fernwärme umgesetzt und die Nutzung von Wärmepumpen explizit erlaubt werden sollte. Die Kündigung von Fernwärmeleistung wäre demnach zulässig, wenn diese durch den Einsatz erneuerbarer Energien ersetzt werden solle.

Mit diesem Antrag werde die Verwirklichung des Baugebiets um weitere sechs Monate verzögert, warnte Kretschmann. Die Erschließung des dritten Bauabschnitts sei „im Laufe von 2025“ geplant. Laut Stellungnahme des Magistrats gibt es für die bisherigen Abschnitte nur einige redaktionelle Änderungen. Grundlegende inhaltliche Änderungen würden eine Neuaufstellung der Fernwärmesatzung nötig machen. Zudem greife der Antrag in das Vertragsverhältnis von Fernwärmeunternehmen und Kunden ein, das nicht durch kommunale Satzungen zu regeln sei.

„Es war nicht die Absicht zu verzögern“, sagte Karl Angelé (FW). Man habe keine Dringlichkeit in dem Beschluss gesehen. Der Antrag habe Klarheit schaffen sollen. Vor 25 Jahren habe es für das Verbot von elektrischer Energie zur Raumheizung ganz andere Bedingungen gegeben als heute mit Wärmepumpen. Es gehe nur um fünf Anwohner.

Wärmeplanung nur als Solidargemeinschaft

„Es könnten auch 35 sein“, widersprach Kretschmann. Dann werde es teurer für die anderen. Die künftige Wärmeplanung könne nur in einer Solidargemeinschaft funktionieren und sich nicht nur auf eine Vielzahl von Wärmepumpen stützen, heißt es dazu in der Stellungnahme des Magistrats. Auch Gerald Kummer (SPD) sprach davon, dass eine Wärmepumpe für ein ganzes Baugebiet die Zukunft sei. In den Ortskernen könne man nicht hinter jedes Haus eine stellen, pflichtete Norbert Schaffner (Grüne) bei.

Im Bauausschuss wurde der Antrag der Freien Wähler mehrheitlich abgelehnt, in der Stadtverordnetenversammlung dann zurückgezogen. Am Ende stimmten 31 Stadtverordnete für die ursprüngliche Magistratsvorlage, bei zwei Enthaltungen.

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Groß-Gerauer Echo 12.11.2024 von Marion Menrath