Konflikte gibt es oft, wo viele Menschen zusammenleben / So geht die Baugenossenschaft Ried mit Problemen um
KREIS GROSS-GERAU. Wo viele Menschen zusammenleben, kommt es häufiger mal zu Konflikten. Dem einen ist die Musik
des Nachbarn zu laut, den anderen stören Schuhe vor der Tür. Auch das Thema Mülltrennung kann zu Auseinandersetzungen
führen, ebenso wie Kindergeschrei zur Zeit der Mittagsruhe oder am späten Abend. Aktuell gibt es einen Fall im Nordkreis, bei dem es um die Nutzung des Innenhofs, der Hausflure und des Parkdecks geht. Nach Beschwerden weist die Hausverwaltung darauf hin, dass das Parkdeck weder Radrennstrecke noch Rollschuhbahn sei. Bei andauerndem Fehlverhalten könne es
auch zur Kündigung der Wohnung kommen.
Doch welche Möglichkeiten haben beispielsweise Baugenossenschaften, bei solchen Konflikten einzugreifen? Wie
lässt sich für eine Befriedung der Situation sorgen? Zu den größeren Akteuren auf dem Wohnungsmarkt im Kreis
Groß-Gerau gehört die Baugenossenschaft (BG) Ried, die mit dem oben genannten Fall nichts zu tun hat. Streitthemen sind
Hausordnung und Lärm In ihrem Bestand befinden sich mehr als 2500 Wohn- und Gewerbeeinheiten. Das sind viel weniger als bei der Rüsselsheimer Gewobau (rund 6500 Wohnungen), aber deutlich mehr als bei der Gemeinnützigen Baugenossenschaft Mainspitze (knapp 1050 Wohnungen), die beide ebenfalls nicht vom oben geschilderten Konflikt betroffen sind. Vor etlichen Jahren gab es im Quartier Springberg in Groß-Gerau/Nord einmal Diskussionen um Sperrmüllablagerung, Mülltrennung und die Nutzung von Kellern und Dachböden. Mit mehr als 200 Wohnungen
ist der Springberg das größte zusammenhängende Quartier der BG Ried. Bereits seit mehr als 20 Jahren arbeitet die BG
Ried mit der Neuen Wohnraumhilfe Darmstadt zusammen. Anfangs seien vor allem Mietschulden ein Thema gewesen,
erzählt Vorstandsvorsitzender Jürgen Unger. Sollte eine Räumung drohen, setze man die Neue Wohnraumhilfe ein.
„Mietschulden spielen heute keine große Rolle mehr, sie sind rückläufig“, sagt Unger. Die Themen hätten sich verschoben.
Heute gehe es eher um Fragen des Zusammenlebens. Bei Streitigkeiten um die Hausordnung kämen Liegenschaftsbetreuer
zum Einsatz, die in der Hausgemeinschaft nachfragten, wo das Problem liege. Gebe es Beschwerden über (Kinder)Lärm, setze man Sozialarbeiter ein, die sich vor Ort ein Bild machten und ebenfalls das Gespräch mit allen Beteiligten suchten. In einigen Fällen könne es sein, dass Eltern überfordert seien. Auch verwahrloste Wohnungen kämen vor. In solchen Fällen würden konkrete Hilfsangebote unterbreitet. „Wir hängen das aber nicht an die große Glocke“, so Unger. Als 2018 in der Reichenberger Straße 24 Familien – darunter viele mit Migrationshintergrund – in einen Neubau einzogen, agierte die BG Ried präventiv, setzte einen Sozialarbeiter ein, der Sprechstunden anbot. Die Befürchtung war, dass es in einem Quartier, dessen Bewohner im Lauf der Jahre gealtert waren, Probleme geben könnte, wenn auf einmal wieder viele Familien mit kleinen Kindern für Belebung sorgen. Tatsächlich aber habe es wenig Konflikte gegeben. „Irgendwann kam zu den Sprechstunden niemand mehr“, berichtet Unger. Nach etwa zwei Jahren habe man das Projekt erfolgreich beenden können. Ohnehin sei der Springberg weniger konfliktträchtig als oft dargestellt, auch wenn die BG Ried dort eher einmal gefordert sei als in kleinen Quartieren mit zwei oder drei Häusern. „Die Situation ist besser als die Außenwahrnehmung.“ Vieles sei für die Bewohner kein großes Thema, sagt Unger, der keinen Brennpunkt sieht. Verbotsschilder stelle die BG Ried kaum noch auf, setze auf Verständigung der Bewohner.
Auch bei Diskussionen um Lärm finde sich praktisch immer eine Lösung. „Mir ist kein Fall bekannt, bei dem es wegen Lärm zum Wohnungsverlust kam.“ Auch die Fälle, in denen Sozialarbeiter eingesetzt würden, seien absolute Ausnahmefälle, betont Unger. In den Wohnungen der BG Ried lebten überschlägig 5500 bis 6000 Menschen, „da treffen wir das Spiegelbild unserer Gesellschaft an“. Verglichen mit der Zahl der Bewohner gebe es nur wenig Konflikte. Das zeige sich auch an der Zahl der Stunden, die die Neue Wohnraumhilfe für die BG Ried leiste. Im Schnitt seien es etwa 300 Beratungsstunden im Jahr. Bedenke man, dass ein Fall auch schon mal 15 Stunden beanspruchen könne, „dann reden wir hier wirklich von einem verschwindend geringen Anteil“, stellt Unger klar.
Bericht aus dem Groß-Gerauer Echo 30.10.2024 von Jörg Monzheimer